Wie ein Wunsch entstehen kann
Schäfer wollte ich recht früh werden. Es war mein Berufswunsch. Das roch nach Natur, Freiheit und Hunden. Und, wie ich damals dachte, nach nicht zu allzu viel Arbeit. „Warum hat der Schäfer einen so großen Hut auf?“, lautete ein Sprichwort. „Damit der liebe Gott den faulen Mann darunter nicht sieht“, war die Antwort. In meiner pubertären Phase fand ich diesen Spruch sehr passend. Ich kann mich in diesem Zusammenhang auch an ein Zitat aus der Schülerzeitung meiner neunten Klasse erinnern: „Mario Jessat, Berufswunsch Schäfer: ,Ich will Schafe, die auch so ein dickes Fell haben wie ich.´“
Aus dem Fenster des Musikzimmers, welches im dritten Stock unserer Schule in Gaschwitz lag, hatte ich einen guten Blick auf den angrenzenden Pleißendamm. Die Pleiße ist ein kleiner Fluss, welcher an unserem Wohnort vorbeifließt. Einmal im Jahr ließ dort ein Schäfer seine Herde weiden. Ich nutzte diese Gelegenheit immer dazu, mich unerlaubt aus der Schule zu entfernen. Aber es waren nicht die Schafe, die mich faszinierten und weglaufen ließen, sondern die Hütehunde des Schäfers. Wie von Geisterhand bewegt, trieben sie die Schafe vorwärts oder zusammen oder ließen die Herde anhalten. So einen Hund zu haben, das wäre für mich das Größte gewesen. Leider schien das damals noch völlig unmöglich.
Wir waren wegen des Kohlebedarfs der DDR aus unserem Grundstück im Wald ausgesiedelt worden. Viele Anwesen, auch unseres, mussten dem Tagebau weichen. Der Wald, in dem unsere Familie eine Zeit lang eine Villa bewohnte, nannte sich "Harth". Diese Landschaft war Teil eines riesigen Waldgebietes und Luftkurort. In der Nähe fließt die Pleiße und es war wunderschön.