In meiner Angst, dass die Ziege davon treiben könnte und das für mich kostbare Halsband mit ihr, beschloss ich, mutiger vorzugehen. Auf gar keinen Fall durfte das schöne Halsband einem völlig Ungeeigneten in die Hände fallen! Daher begab ich mich dann doch einen Schritt ins Wasser. Schafe und Hund waren nun egal, ich wollte das Halsband. Wer Ziegen kennt, weiß, dass sie sehr störrisch sein können. Und dieses blöde Vieh von Ziege war selbst noch im Tode störrisch und zog sich Richtung Flussmitte in die stärkere Strömung zurück.

Genau in dem Augenblick, als ich vor der Entscheidung stand, mich entweder nur mit weißen Unterhosen bekleidet weiter ins Wasser zu wagen, oder dieses Geschenk treiben zu lassen, bekam ich Hilfe von meinem Großvater. Sein Zurückkommen hatte ich trotz des dazugehörigen Pferdewagens in meinem Kampf um das Halsband nicht bemerkt. Nun sprach mich mein Opa mit leiser Stimme an: „Mario, komm bitte aus dem Wasser." Er half mir aus dem Fluss, warf einen Blick auf die Ziege und bat mich um meinen Stock. In der Hoffnung, dass er mich bei meinem Versuch, das Halsband zu ergattern, unterstützen würde, gab ich ihm den Stock. Das war falsch.

Manche Lektionen merkt man sich ewig. Sie sind nicht unbedingt in Stein gemeißelt, aber so in den Hosenboden eingehauen, dass man sie einfach nicht wieder vergisst. Vor allen Dingen, wenn ein Hütestock aus Nussholz dabei hilft. Mir tat der Allerwerteste noch lange weh, aber dadurch kann ich mich auch heute noch genau an die Schafe, Hunde, die Weide und die blöde Ziege an der Saale erinnern. Das Halsband war zwar verloren, aber ganz unbemerkt hatte ich dort draußen auf dem Lande etwas anderes gefunden. Es war die Liebe zur Freiheit, zur Natur und zu den Tieren, insbesondere zu Hunden. Und ich erfuhr, dass Nussholz ein sehr haltbares Holz ist und fertige noch heute meine Schäferstöcke daraus an.