Wasser in allen Variationen hat für Kinder immer eine gewisse Anziehung. Die Schafe fand ich schlau, die mussten nicht arbeiten, sie fraßen in Ruhe. Und sie trauten dem Hochwasser nicht zu sehr. Vorsichtig näherten sie sich dem Fluss.
Gemütlich auf meinem Hosenboden sitzend, beobachtete ich die Schafe und das Hochwasser von der Dammkrone aus. Der Wettergott meinte es gut mit mir, er sendete keinen Regen mehr, sondern Sonne, und noch viel besser und interessanter: eine tote, ehemals weiße Ziege. Vielleicht war das Tier ins Wasser geraten, dann die steile Uferböschung nicht mehr hochgekommen und ertrunken. Oder die Ziege war angepflockt und man hat sie nicht abgebunden und das steigende Wasser hatte sie überschwemmt und mitgenommen. Vielleicht war sie auch einfach gestorben. Nun trieb sie auf jeden Fall in der Saale. Wie meine wachsamen Kinderaugen erspähten, trug sie ein Halsband, das in der Sonne funkelte. Sofort wusste ich, dass man es wunderbar vom Ziegen- zum Hundehalsband umfunktionieren konnte.
Da die Ziege sichtlich tot war, brauchte ich nicht zu befürchten, dass jemand später einen Anspruch auf das Halsband erheben würde. Halsbänder gab es zwar zu kaufen, aber wo sollte man als Knirps schon das Geld dafür hernehmen? Trotz des Verbotes, mich dem Wasser - auch nur auf zehn Schritt - zu nähern, eilte ich sofort an den Fluss.
Das Wasser am Ufer war knietief, trotzdem versuchte ich, die Ziege mit meinem Hütestock an Land zu ziehen. Leider war das nicht so einfach, denn sie trieb, immer wieder von der leichten Strömung des Flusses erfasst, einfach weiter.