Vorwort
"Hänge dein Herz nicht zu sehr an sie", hat mein Schäfer-Kollege Roland Wagenknecht zu mir gesagt, "dafür sterben sie zu schnell".
Obwohl es viele Jahre her ist, kann ich mich noch gut an diesen Tag erinnern. Es war ein Wintertag bei unseren Schafherden, auf die Art angenehm kalt, dass man das Gefühl hatte, die Luft sei etwas klarer und sauberer als sonst. Unser Atem dampfte, mir war die Kälte aber noch nicht durch Mark und Bein gekrochen. Außerdem spiegelte sich die Morgensonne angenehm auf dem Raureif der umliegenden Felder.
Wir standen an seinem alten Schäferkarren neben seiner Schafherde und ich erzählte und schwärmte gerade vom besten Hund meines Rudels. Er unterbrach meine Lobhudelei und meinen Redeschwall. "Hänge dein Herz nicht an einen, besonders wenn du mehrere Hunde hast. Der geht oft zuerst".
Nach einigem Nachdenken fand ich diese dahin gesprochenen Worte ausgesprochen blöd. Eigentlich völligen Unsinn. Bis dann der Erste meiner wirklichen Lieblinge ging, schnell und lange vor seiner Zeit. Seitdem ploppt der Spruch immer wieder einmal in meinem Kopf auf, manchmal empfinde ich ihn sogar als Fluch.
Was auch völlig normal ist, denn wenn man über lange Zeit viele Hunde hat, dann verlassen einen eben auch viele und zu schnell. Sie leben einfach nicht so lange wie wir – schwer zu verstehen und ein völlig unangemessener Irrtum der Natur.
Aber besonders schwer wird es, wenn einen die Ausnahme-Hunde verlassen, die Seelenhunde. Ich durfte lernen, dass es sie gibt. Sie stehen etwas über den anderen Hunden meines Rudels, sind mir ein klein wenig näher. Sie sind die einen, die Besonderen.
Der einzige Trost ist dann mein Hunderudel. Denn gelegentlich wachsen sie nach, ohne dass man darauf achtet. Es passiert einfach. Besonders wenn man züchtet, viele Hunde als Meute hat und auch mal einen eigenen Welpen behält.
Immer war ich beim Abschied von diesen Ausnahmehunden der Meinung, dass ich so einen guten Hund nie wieder bekomme und er auf gar keinen Fall zu ersetzen ist. Aber irgendwie und völlig unauffällig schafft es einer dann doch, in diese emotionale, tiefe Verbundenheit mit mir zu kommen. Ich begrüße sie mit offenen Armen und Herzen, auch wenn ich schon vorab weiß, dass sie mir eben dieses brechen werden. Gemessen an der Dauer unseres Lebens gehen sie einfach wieder zu schnell.
"Meine Schöne, meine Feine". Was schleimt der Alte doch wieder an mir herum. Manchmal, wenn ich in seiner Nähe laufe, spricht er mich so nett an. "Feine Elis". Das klingt eine ganz kleine Nuance netter als bei den anderen Hunden. Er hofft, dass ich nun freundlich zu ihm eile und mit meiner Rute in der Gegend herum wedele. Er hofft umsonst.
Vielleicht würde ich es auch gern tun, ich mag ihn, aber ich kann das nicht machen. Erstens ist meine Rute nun mal kein Propeller. Und niemals geht so etwas, wenn die anderen Köter der Meute in der Nähe sind. Wenn ich mich zu emotional zeige, denkt die Bande der Looser vielleicht noch, ich wäre schwach. Gar noch freundlich oder in guter Laune. So gehe ich an ihm vorbei und wedele drei-, viermal mit dem Schwanz. Hebe den Kopf, sehe ihn kurz in die Augen. Ich spüre, wie er sich freut. Das reicht.
Er sagt dann immer unseren Gästen: "Wenn Elis dreimal mit dem Schwanz wedelt, dann hat sie mich belobigt". Da hat er recht. "Feine Elis, du bist die Beste". Auch das braucht er nicht sagen, das weiß ich. Ich bin die Beste im Rudel, die Einzige, die Stärkste. Ich bin die Leaderin. Und da kann es nur eine geben. Mich.